Zanda Martens MdB (SPD): „Flughafenbetreiber müssen ihren eigentlichen Aufgaben nachkommen, statt nach weiteren Lösungen in der Luftsicherheit zu stochern“

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Flughafenbetreiber wollen die Luftsicherheitskontrollen an Flughäfen übernehmen

Düsseldorf, 08.11.2022

Es wird jetzt ernsthaft erwogen, ein nicht getestetes Pilotprojekt wie das Frankfurter Modell auf viele große deutsche Flughäfen auszurollen. Ein Pilot, dessen Sinn überhaupt noch nicht bewiesen sein kann, dessen Ergebnisse man nicht abwartet.

Im Gegensatz dazu steht das anstrebenswerte bayrische Modell, das unter der Ägide der öffentlichen Hand nachweislich seit langem ohne Schwierigkeiten und ohne vergraulte Passagiere und Beschäftigte am Münchner Flughafen reibungslos funktioniert. Statt auf diese Erfahrung zu setzen, wollen die Verantwortlichen dem Vernehmen nach nun erfolgreich scheitern. Warum verhalten sich die Flughafenbetreiber und die politischen Ebenen so betriebsblind und stolpern sehenden Auges in die nächste Katastrophe?

Seit Jahren bekommen die Flughäfen stellvertretend den Frust und Ärger von unzufriedenen Passagieren ab, weil private Sicherheitsdienstleister an Personal sparen oder es unter unzumutbaren Bedingungen arbeiten lassen. Insbesondere in der Coronazeit ließen die privaten, profitorientierten Dienstleister viele befristet und in Leiharbeit Beschäftigte einfach gehen, weil sie glaubten, sie nicht mehr zu brauchen, und Kosten sparen wollten.

Den ganzen Sommer lang sorgten die schleppenden Sicherheitskontrollen und hunderte Meter lange Schlangen für Dauerärger. Täglich skandalisierten die Medien zurecht die unhaltbaren Missstände. Viele Unternehmen und tausende Passagiere beklagten die nachhaltigen Rufschädigungen der Landeshauptstadt und ihres Flughafens. Es ist verständlich, dass die Flughäfen diese Zustände nicht länger hinnehmen wollen, zumal sie keinen direkten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen und Betriebsabläufe bei den privaten Sicherheitsdienstleistern haben.

Allerdings löst die von Flughäfen und ihrem Verband ADV jetzt vorgeschlagene Lösung, Organisation und Steuerung der Luftsicherheitskontrollen von Passagieren, Personal und Waren in die Hände der Flughäfen zu legen, das ursächliche Problem nicht.

Das sogenannte Frankfurter Modell, das doch erst zum 01.01.2023 als Pilotprojekt am Frankfurter Flughafen starten soll, unterscheidet sich von den jetzigen Lösungen z.B. in Düsseldorf oder Köln-Bonn lediglich dadurch, dass die privaten Sicherheitsdienstleister nicht mehr wie bisher vom Bundesinnenministerium, sondern vom Flughafenbetreiber selbst beauftragt werden sollen.

Wir würden dann aber weiterhin auf private, profitorientierte Dienstleister setzen, obwohl es gerade in den letzten Monaten offensichtlich wurde, dass das Experiment mit hoheitlichen Aufgaben in privaten Händen sich weder als besser noch als günstiger erwiesen hat – für Beschäftigte, Passagiere sowie unsere Sicherheit.

Zu glauben, die Probleme im System lösten sich allein dadurch, dass die Flughafenbetreiber diesmal selbst diese privaten Sicherheitsdienstleister beauftragen würden, ist naiv und blendet die Problematiken eines liberalisierten Marktes völlig aus. Solange wir es zulassen, dass private Unternehmen mit einer hoheitlichen Luftsicherheitsaufgabe ihre profitablen Geschäfte machen dürfen, indem sie möglichst wenig in Personal und Arbeitsbedingungen investieren, um möglichst viel Profit zu machen, kann sich am Problem nichts grundlegend ändern.

Doch gerade jetzt nach den passagierstarken Ferien sollten wir die Zeit vielmehr für strategische Planung und ein Umdenken im System nutzen und endlich die Zurückführung der hoheitlichen Luftsicherheitsaufgaben in die öffentliche Hand vorbereiten.

Dabei brauchen aber auch die Flughafenbetreiber keineswegs untätig zu bleiben. Statt nach weiteren Lösungen in der Luftsicherheit zu stochern, sollten sie ihr Augenmerk vielmehr auf die Bereiche richten, für die sie in erster Linie verantwortlich sind. Der Flughafenbetrieb stockt nämlich nicht nur an den Sicherheitskontrollen. Langes Warten auf das Gepäck, schmutzige Toiletten – auch die Bodenabfertigung und die Reinigungsdienste leiden unter mehr als 20 Jahre schädlicher Liberalisierung fast aller Dienstleistungen. Für die Beschäftigten heißt dies Nachtdienste, erschwerte Arbeitsbedingungen, Stress und miserable Bezahlung.

Aber viele Flughäfen setzen wieder oder weiter auf noch mehr Liberalisierung, ziehen sich selbst immer mehr von diesen Aufgaben zurück und nehmen weiter einen noch stärkeren Kontroll- und Qualitätsverlust auf Kosten der Sicherheit in Kauf!

 

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