Bundestagsabgeordnete Zanda Martens schlägt Alarm „Die 900.000 m² von Vallourec darf man nicht Spekulanten opfern“

Politik und Öffentlichkeit müssen aufwachen!

Bild: IH

Düsseldorf, 17.8.2022. Es steht leider fest: Vallourec in Düsseldorf-Rath schließt Ende 2023. Das Werk ist nicht mehr zu retten, doch was geschieht mit dem Werksgelände? Für die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Dr. Zanda Martens (SPD) ist die Sachlage klar: Das Gelände droht in die Hände von Spekulanten zu fallen. Vallourecs Plan legt sie im Folgenden offen.

Erst vor kurzem habe ich mich öffentlich klar zu Düsseldorf als Industriestadt bekannt – der Zuspruch in der Stadt war enorm. Neben Stimmen meiner eigenen SPD erreichten mich unterstützende Worte von IHK, Handwerkskammer und weiteren Düsseldorfer Industrievertreter:innen. Was ich mir zu diesem Zeitpunkt gar nicht vorstellen wollte: Trotz der klaren Sachlage scheint es sehr gut möglich, dass die industrielle Nutzung des Vallourec-Geländes in Düsseldorf mitnichten gesichert ist. Wenn die schwarze-grüne Mehrheit im Stadtrat und die politische Stadtführung jetzt nicht unmittelbar aktiv werden, endet die Fläche doch noch in der Bodenspekulation. Die Investoren profitieren vom Bau und Verkauf von Luxuswohnungen. Die Stadt und ihre Bürger:innen aber nicht von der industriellen Nutzung und Arbeitsplätzen im Sinne des notwendigen Klimawandels.

Wie kann das passieren? Vallourecs Plan, um das zu erreichen, ist folgender:

Schritt 1: Den Interessentenkreis auf Spekulanten verkleinern

Vallourec hat als Makler für den Geländeverkauf eine französische Großbank beauftragt. Diese verschickte im Juni 2022 ein Schreiben an mögliche Interessenten für den Geländeerwerb. Die Abgabe eines Preisangebots sollte bis Juli 2022 erfolgen – innerhalb von nur vier Wochen! Allein diese kurze Frist zur Angebotsabgabe macht bereits klar: Ernsthafte Interessent:innen aus der Industrie sind unerwünscht und haben keine wirkliche Chance, um mit schnell reagierenden Spekulanten konkurrieren zu können. Seriöser Umgang mit seriösen Investoren geht anders. Skandalös erscheint aber auch die Anpreisung des Geländes: Unter dem Titel „Vision 51“ wird es in einem Verkaufsprospekt unverhohlen als „Entwicklungsstandort für den 51. Stadtteil“ Düsseldorfs angepriesen. Von einem „urbanen Viertel“ und „einem neuen Stadtteil“ ist die Rede – kein Wort über ein Industriegebiet, wie im Bebauungsplan der Stadt zwingend vorgesehen. Eine Einladung an die Bauspekulanten! Für einen Luxuswohnungsbau, der formell derzeit gar nicht möglich ist, aber selbstverständlich für Heuschrecken äußerst lukrativ wäre.

Bislang ist klar: Das Vallourec-Gelände darf heute nur ausschließlich mit Industrie bebaut werden. Hat aber der meistbietende Spekulant erst einmal das Gelände in seiner Verantwortung, läge es nun an ihm, geeignete Industriekäufer oder -pächter zu finden. Betrachtet man den gesamten Fall Vallourec, auch etwa die Vorgänge am früheren Standort Reisholz, so ist die Geschäftspolitik dieses Unternehmens ein einziges Lehrstück für Maßnahmen mit der Absicht, zielsicher keine Interessent:innen zu finden, die das Interesse an einer Fortführung des Betriebs oder einer industriellen Nutzung des Grundstücks haben.

Besonders pikant: Die Großbank untersagt den Erwerbsinteressent:innen eine Kontaktaufnahme zu Mitarbeitern des Verkäufers, Behörden, Nachbarn oder sonstigen Mitarbeitern der Stadt! Wer sich also anderweitig über Wert und Beschaffenheit und rechtliche Möglichkeiten des Geländes informieren wollte, dem drohte kurzerhand Ausschluss aus dem Bieterkreis! Wie soll es so zu einem seriösen und ernstzunehmenden Angebot aus der Industrie kommen? Niemand wird die Katze im Sack kaufen und als ehrlicher Kaufmann ein derart großes Risiko eingehen.

Schritt 2: Die Stadt in Beugehaft nehmen

Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die hinter Vallourec stehenden Finanzinvestoren Apollo Global Management und SVPGlobal bereits einen Wunschkandidaten für den Erwerb des Geländes haben. Wenn es nur um den Preis und Gewinn geht, würde ein gewinnerwartender Spekulant – im Vergleich zu Bietern aus der Industrie – eine signifikant höhere Summe trotz gestiegener Zinsen aufwenden können. Er kann ja, wie Adler zeigte, die Bilanzen gefügig machen und überhöhte Preise anbieten.

Sollte ein solcher Spekulant den Zuschlag bekommen, wäre die Stadt Düsseldorf gleich vor zwei Herausforderungen gestellt: 1. Wollte die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, bliebe ihr nur eine Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder sie zahlt den durch den Spekulanten vorgelegten Mondpreis bzw. erstreitet mühsam und langwierig vor Gericht den üblichen Marktpreis – oder sie überlässt doch den Spekulanten den Zugriff. Mit Blick auf die Haushaltskasse ist fraglich, ob die Stadt sowohl Mond- als auch Marktpreis zahlen wollte oder einfach auch könnte. Die Ermittlung und Erstreitung eines marktüblichen Preises würde die Geländeentwicklung zudem während des gesamten Verfahrens binden. Geht der Plan von Vallourec also auf, wäre das Gelände in Heuschreckenhänden. Das führt unmittelbar zu 2.: Die Heuschrecke, die das Grundstück hat, aber mit Industrie nichts anfangen kann und will, zwingt nun die Stadt, den Bebauungsplan zu ändern. Der Stadtrat müsste genau das Gegenteil des Richtigen beschließen, um eine länger nervende Industriebrache zu verhindern.

Damit wird zielsicher das Dilemma erreicht, vor dem die Stadt niemals stehen sollte: Brachfläche oder Wohnraum? Beides wäre weit entfernt von der Sicherung Düsseldorfs als Industriestadt – und doch kämen die politisch Verantwortlichen unter erwartbaren öffentlichen Druck in die Verführung, das kleinere Übel zu wählen. Denn niemand mag Brachflächen – und Düsseldorf braucht Wohnungen (nur eben keine Luxuswohnungen in Rath). Das nenne ich Beugung!

Schritt 3: Profit!

Geht der Plan auf, hat entweder ein Bodenspekulant eine vergoldete Brachfläche, die er weiterverkaufen kann, oder Düsseldorf hat weitere Luxuswohnbebauung in denkbar schlechtester, rein profitorientierter Hand – unter Verlust einer zukunftsfähigen Industriefläche, deren Erhalt eigentlich beschlossene Sache und vielseitig versprochen war. Je nachdem, ist es sogar nicht auszuschließen, dass Vallourec sich eine Nachzahlung vertraglich zusichern lässt, wenn das Grundstück doch noch vom Industrie- ins Wohnungsbaugebiet verwandelt und sein Wert dadurch erheblich gesteigert wird. Ein weiterer Anreiz, den Plan wie beschrieben zu verfolgen. Was bleibt der Stadtgesellschaft also zu tun, wenn sie nicht eines Tages vor einem Angebot stehen will, das sie nicht ablehnen kann?

Politik und Öffentlichkeit müssen aufwachen!

Die Stadt Düsseldorf hat sich wiederholt und eindeutig dazu bekannt, das Werksgelände von Vallourec weiterhin nur für die Industrie zu sichern. Wenn die Stadtpolitik meint, das wär‘s, jetzt nichts mehr will und nur abwartet, werden die 900.000 m² von Vallourec doch noch Opfer von Spekulanten à la Adler und Co. Das darf nicht passieren!

Vallourecs Fahrplan, das Gelände in Spekulantenhände fallen zu lassen, ist offenkundig – nun muss ihm ein Riegel vorgeschoben werden! Ein Industriegelände dieser Größe und Bedeutung für die gesamte Stadt darf nicht in so einem geheimen Verfahren verkauft werden, bei dem jegliche Beteiligung der Stadt nicht nur unerwünscht, sondern unter Androhung von Konsequenzen sogar ausdrücklich ausgeschlossen ist! Das darf sich Düsseldorf nicht bieten lassen!

Mein Appell richtet sich daher an die Ratsfraktionen, aber auch in aller Deutlichkeit an Oberbürgermeister Keller: Stehen Sie nicht blind daneben, während Düsseldorf deindustrialisiert wird! Lassen Sie sich nicht gefallen, dass Vallourec potentiellen Kaufinteressenten den Kontakt zu Ihren Mitarbeiter:innen in der Stadtverwaltung verbietet!

Warten Sie nicht, dass Vallourec oder die interessierten Industrieunternehmen auf Sie zukommen, schreiten Sie als Anwalt der Industriestadt Düsseldorf selbst proaktiv ein! Und nicht als neutraler Vermittler zwischen den Interessen der Düsseldorfer Bürger:innen und den internationalen Spekulanten – denn den Heuschrecken sind die Belange der Düsseldorfer:innen vollkommen egal, solange ihre Profite stimmen. Ihnen sollte das nicht egal sein!

 

Interviewanfragen und Hintergrundinfos:

0211 838 616 30

zanda.martens.wk@nullbundestag.de