„Können die politisch Verantwortlichen nur daneben stehen?“
Düsseldorf, 04.07.22. Der französische Röhrenhersteller Vallourec will seine deutschen Werke in Düsseldorf Rath und Mülheim schließen. Die Lage scheint aussichtslos, alle Rettungsversuche sind am Widerstand des Managements gescheitert. Auch die aktuellen Regierungen auf allen Ebenen übernahmen allzu früh die rücksichtslose Perspektive der Vallourec-Geschäftsführung, urteilt die SPD-Bundestagsabgeordnete Zanda Martens.
Heuschrecken wüten in der europäischen Stahlindustrie
„Alle politischen Ebenen wurden angefragt, wie sie sich eingesetzt und welche Ergebnisse die Akteure erreicht haben: In Düsseldorf Oberbürgermeister Keller, im Land Ministerpräsident Wüst, im Bund Wirtschaftsminister Habeck sowie Beschäftigtenvertretungen in Frankreich. Eines haben alle Reaktionen gemeinsam: Trotz Gesprächen hat es aufgrund der Verweigerungshaltung der Vallourec-Chefs keine positiven Ergebnisse gegeben. Muss aber die Politik hilflos zusehen, wenn Heuschrecken die Reste der deutschen Stahlindustrie abgrasen und keine industrielle Alternative zulassen?“
Vallourec-Geschäftsführung wurde blind vertraut
Die verantwortlichen Politiker von CDU und Grünen haben die Vallourec-Geschäftsführung nicht hinterfragt und sind ihr quasi blind gefolgt, wenn sie behaupteten, die Werke könnten nicht mehr wirtschaftlich transformiert werden, aber der Verkauf sei ernsthaft angestrebt. „Dabei gab es stets laute Stimmen und viele konstruktive Ideen aus der Belegschaft, die schlüssig belegen konnten, dass noch Aussicht für die Werke besteht“, so Martens, vor ihrem Einzug in den Bundestag Gewerkschaftssekretärin der IG Metall.
Politik bleibt weiter nur zögerlich und schließt die Augen
Laut der Antwort aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, die Bundesminister Robert Habeck nach 27 Tagen von einem Staatssekretär an die SPD-Bundestagsabgeordneten senden ließ, ging es nun „vor Ort zuallererst darum, den betroffenen Beschäftigten schnellstmöglich neue attraktive berufliche Perspektiven zu eröffnen und einen fairen Interessenausgleich für alle zu erreichen.“ Zudem habe man den Eindruck gewonnen, die bereits laufenden Gespräche zwischen der Geschäftsführung, Betriebsrat und Gewerkschaft liefen konstruktiv. „Besser lässt sich nicht ausdrücken, dass man als Akteur nichts ändern will oder kann.“
Die Politik in Europa darf nicht weiter so naiv sein
„Ich höre anderes von den Arbeitnehmervertretungen, deutschen wie französischen.“, so Zanda Martens. „Die Erfahrung aus dem Verkaufsprozess hat gezeigt: Die Politik darf gegenüber rein gewinnorientierten Chefetagen nicht länger blauäugig bleiben.“ Auch in Frankreich habe sich die Regierung Macrons von den französischen Vallourec-Chefs am Nasenring vorführen lassen. Seit Jahren habe der Konzern dort beträchtliche öffentliche Mittel, Steuergutschriften und staatlich garantierte Darlehen kassiert. Statt damit Beschäftigung und Arbeitsplätze zu sichern, kümmere sich der Konzern nur um seine Aktionäre und verlagere seine Werke ins ferne Ausland wie Brasilien und Asien.
Eine europäische Lösung muss her!
„Die Lösung dieses europäischen Problems muss denn auch europäisch sein“, ist Zanda Martens überzeugt. „Wir haben als europäische Staaten aus bekannten Gründen ein vitales Interesse daran, in der industriellen Produktion, in der Energie- und Rohstoffversorgung unabhängig zu werden und uns nicht weiter von Russland, China und anderen autokratischen Regimen erpressbar zu machen. Es gilt nicht nur, den Beschäftigten auf allen politischen Ebenen zuzuhören, sondern auch aktiv an ihrer Seite zu stehen. Dafür müssen wir uns in der EU dringend auf die bereits diskutierten Maßnahmen des Klimapakets ‚Fit for 55‘ einigen. Klimazölle, verpflichtender Umweltschutz entlang der gesamten Lieferketten – unsere globalisierte Wirtschaft braucht endlich Regeln, die umweltfreundliches Wirtschaften belohnt und nicht bestraft, indem anderswo billig und schmutzig Produziertes falsche Anreize setzt und unsere Wirtschaft und Arbeitsplätze in Europa kaputtmacht.“
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